Windmühlen | Muslimische Technikwunder
Windmühlen (raha, pl. arha) waren allem Anschein nach bereits vor dem Islam in Persien verbreitet, und ihre Kenntnis erreichte ziemlich früh auch weitere Teile der islamischen Welt.
Wie der Historiker Muhammad b. Garir at- Tabari (gest. 310/923) in seinen Annalen berichtet, soll ‘Umar, der zweite Kalif (reg. 13/634-23/644), zu dem Perser Abu Lu`luà, der als Maler, Tischler und Schlosser bekannt war und später zum Mörder dieses Kalifen wurde, gesagt haben: «Man hat mir berichtet, Du habest behauptet, Du könnest eine Mühle bauen, die mit Windkraft mahlt, wenn ich das wünschte», worauf dieser geantwortet habe:
«Ja, das ist wahr.»
‘Umar habe daraufhin gesagt: «Dann baue mir eine solche Mühle.»
Die ausführlichste Beschreibung einer Windmühle nebst einer Abbildung verdanken wir dem Geographen Samsaddin Muhammad ad-Dimasqi (gest. 727/1327) .
Sie lautet in deutscher Übersetzung:
«In Sigistan befindet sich eine Gegend, in der die Winde … häufig sind. Ihre Einwohner benützen die Winde zum Drehen der Mühlen …
Bei der Konstruktion der sich durch den Wind drehenden Mühlen verfahren sie folgendermaßen. Sie bauen [ein Gebäude] in die Höhe wie ein Minarett, oder sie nehmen einen hohen Berggipfel oder einen
entsprechenden Hügel oder einen Turm der Burgen. Auf diesen errichten sie einen Raum über einem anderen. In dem oberen befindet sich die Mühle (raha), die sich dreht und mahlt, in dem unteren befindet sich ein Rad (daulab), welches der dienstbar gemachte Wind dreht. Dreht sich das Rad unten, so dreht sich die Mühle auf dem Rade oben. Was für ein Wind auch wehen mag, so drehen sich jene Mühlen, trotzdem nur ein einziger [Mühl]Stein vorhanden ist, und das Bild ist so, wie Du dies siehst …»
«Haben sie den Bau der beiden Räume ausgeführt, wie es die Abbildung zeigt, so machen sie in den unteren Raum vier Schießscharten (marma) wie die Schießscharten an den Mauern (aswar), nur sind sie umgekehrt, indem ihr weiter Teil nach außen und ihr enger Teil nach innen gekehrt ist, ein Kanal für die Luft, so daß in ihm die Luft kräftig in das Innere eindringt, wie bei dem Blasebalg des Goldschmiedes. Das weite Ende befindet sich nach der Mündung und das enge nach innen zu, damit es für den Eintritt der Luft geeigneter ist, die in den Raum der Mühle eintritt, von welcher Gegend der Wind auch blasen mag.»
Mit großer Wahrscheinlichkeit haben die Windmühlen persischen Ursprungs schon früh ihren Weg in den Westen der islamischen Welt gefunden. Der Geograph Abu‘ Abdallah al-Himyari aus dem arabischen Spanien (schrieb 866/1461) erwähnt unter den Besonderheiten der Hafenstadt Tarragona die Existenz von Mühlen, die mit Windkraft angetrieben werden.
Was die weitere Verbreitung dieses Typs angeht, so hat die Vermutung etwas für sich, daß er etwa seit dem 7./13. Jahrhundert China erreicht hat.
Die frühest bekannte Entwicklung der Windmühle in Europa geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Ein im Jahre 1270 in Canterbury geschriebenes Psalmenbuch zeigt die ersten englischen Abbildungen einer Mühle mit vertikalen Flügeln.
Mehrere Zeichnungen des «persischen» Typs finden sich noch unter den Machinae novae von Fausto Veranzio (1615).
Die Frage, ob dieser Typ der Windmühle in Europa tatsächlich auch gebaut wurde, ist noch offen. Nach der oben wiedergegebenen Beschreibung von ad-Dimaski befand sich der Mühlstein im oberen Teil der Mühle, während der Windapparat unten installiert war. Die weitere Entwicklung führte dazu, daß diese Anordnung umgedreht wurde, wie neuere Bilder zeigen. Auf seiner Persienreise konnte Sven Hedin in dem kleinen Ort Neh in Sistan bei einer Gesamtzahl von 400 Häusern 75 Windmühlen zählen.
Tausendundeine Idee Vom Kaffee bis zum Taschenrechner: Viele unserer Alltagsdinge bergen ein Stück islamischer Kulturgeschichte.